Dr. Franca Siegfried Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften
Eine Redewendung, die aus Zeiten stammt als Latein noch die unbestrittene
Sprache der Wissenschaft war. Heute, im Zeitalter der Digitalisierung, wird
Latein als Auslaufmodell abgewertet. Englisch ist die lingua franca und Programmiersprachen
werden als das "neue Latein" gefeiert.
Beerdigung des
humboldschen Bildungsideals
"Junge Menschen benötigen kein Latein. Hingegen müssen sie wissen, wie man eine App programmiert", betonte der ETH-Professor Jürg Leuthold in der NZZ (07.02. 2017). Aus diesem Grund sind für den Physiker Programmiersprachen die Sprachen der Zukunft. Die Schweiz hinke hinter der Digitalisierung her, weil sie noch alten Idealen nacheifere, warnte Leuthold. Mit dieser Mahnung hat er sich nicht als Bewunderer des humanistischen Bildungsideals geoutet.
"Junge Menschen benötigen kein Latein. Hingegen müssen sie wissen, wie man eine App programmiert", betonte der ETH-Professor Jürg Leuthold in der NZZ (07.02. 2017). Aus diesem Grund sind für den Physiker Programmiersprachen die Sprachen der Zukunft. Die Schweiz hinke hinter der Digitalisierung her, weil sie noch alten Idealen nacheifere, warnte Leuthold. Mit dieser Mahnung hat er sich nicht als Bewunderer des humanistischen Bildungsideals geoutet.
Informatik und Latein – nicht Informatik statt Latein"Bei gewissen ETH-Professoren herrscht offenbar ein höchst eingeschränktes
Bildungsverständnis", schreibt ein NZZ-Leser (14.02.2017) als Reaktion auf den
besagten Artikel. "Latein-Bashing ist immer gut um Aufmerksamkeit zu erregen.
Jürg Leuthold von der ETH möchte ich daran erinnern, dass in den letzten
Jahrzehnten mehrere Generationen von Programmiersprachen an uns vorbeigezogen
sind", argumentiert ein anderer NZZ-Leser. Ein Leser, der sich als Lehrer zu
erkennen gibt, schildert wie an einem Lateintag in Brugg Altphilologen und
Informatiker zusammen debattierten und dabei zu ähnlichen Schlussfolgerungen
kamen: Latein und Informatik sind keine Konkurrenten.
Die Sprache lebt doch
Vor zwölf Jahren lud der Leiter des Vindonissamuseums Brugg die Lateinlehrerschaft ein, sich am jährlichen Römertag zu beteiligen. Damit kam der Wunsch auf, einen eigenen Lateintag zu organisieren. Seither treffen sich alle zwei Jahren aus der ganzen Schweiz und dem nahen Ausland Interessierte in Brugg. Der letzte Lateintag im November 2016 stand unter dem passenden Motto "PER OMNIA SAECULA FAMA" – DURCH ALLE ZEITEN IM GESPRÄCH. Alle 24 Workshops und Referate konnten ohne Latein-Kenntnisse besucht werden und die Tagung war öffentlich (Eintritt 20 Franken): http://www.lateintag.ch/index.php/startseite.html
Latinum
"Empfehlung für den Erwerb von Grundkompetenzen in der
lateinischen Sprache", 20 Seiten umfasst die soeben erschienene zweisprachige Publikation
der swiss academies reports. Schweizer Universitäten, Mittelschulen und die
SAGW haben zusammen die sprachlichen Basiskompetenzen erarbeitet über die
Studierende nach Abschluss eines Grundkurses in Latein verfügen sollten.
Nuntii Latini
Radio-Bremen in Deutschland präsentiert die wichtigsten Ereignisse
des Monats komplett in lateinischer Sprache. Jedes Wort muss die lateinische
Redaktion übersetzen, auch neue Kreationen wie Elektroauto – autocinetum
electricum. Weltweit gibt es nur noch zwei Angebote, beim
öffentlichen-rechtlichen Rundfunk in Finnland sowie beim Radio Vatikan. http://www.radiobremen.de/nachrichten/latein/latein-startseite100.html
Latin lover
In die Bildungsdiskussion rund um das Latein passt auch das
Buch von Karl-Willhelm Weeber "Latein da geht noch was! – Rückenwind für Caesar
& Co" (September 2016). Der Deutsche Honorarprofessor für Alte Geschichte beweist
die Allgegenwart des römischen "Erbes", selbst im Supermarkt und beim Fussball
entdeckt er lateinische Wurzeln. Es ist auch kein Zufall, dass die
Informationstechnik IT ihre Bezeichnung aus dem lateinischen Wortschatz mopste.
Die Halbwertszeit der
Shapers
"Die Informatik hat durchaus Grundsätzliches, Zeitloses zu
bieten: Ein vertieftes Verständnis etwa von Algorithmen oder von
Datenmodellierung ist wichtig um unsere Gesellschaft zu verstehen", schreibt
ein NZZ-Leser. Die auserwählten Forscher aus der Gruppe der 100 Digital Shapers
2016, welche das Magazin Bilanz zusammen mit dem Worldwebforum im Oktober
2016 vorstellten, stammen alle von der ETH Zürich und Lausanne. Ihr Kollege Jürg
Leuthold gehörte nicht dazu. Es sollen jedoch Wetten laufen, dass Leuthold mit seinem
Unkenruf in der NZZ als Shaper 2017 im Gespräch ist. In den Club von
Gleichgesinnten würde jedoch ein Wirtschaftshistoriker besser passen –
Querdenker sind innovativer, zumal sich die Epoche der Digitalisierung in einer
beschleunigten Halbwertszeit befindet...
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