Die neue Publikationsförderung des SNF – Ergeben sich dadurch nicht beabsichtigte Folgen für den Schweizer Nachwuchs?

Beitrag von Dr. Beat Immenhauser, SAGW (Artikel aus dem Bulletin 3/2014)

Die auf den 1. Juli in Kraft tretenden Neuerungen bei der Publikationsförderung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) haben in der Presse und weiteren Medien eine starke Resonanz erfahren. Nach weiteren Gesprächen mit Vertretungen der Wissenschaftsverlage hat der SNF nun punktuelle Anpassungen vorgenommen. In der Ausgestaltung der Praxis der neuen Publikationsförderung wird es sich zeigen, ob der freie und unentgeltliche Zugang zu wissenschaftlichen Forschungsergebnissen nicht zulasten des akademischen Nachwuchses in der Schweiz gehen wird.


Die Diskussion über die Umsetzung von Open Access von Zeitschriftenartikeln wird hierzulande spätestens seit 2006 – dem Jahr der Unterzeichnung der Berlin Declaration on Open Access durch die forschungsfördernden Institutionen in der Schweiz – recht intensiv geführt, mit Erfolg. Von den rund 60 durch die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften unterstützten Fachzeitschriften erscheint mittlerweile mehr als die Hälfte als Open-Access-Publikationen (teilweise mit Sperrfristen von einem bis zwei Jahren). Die meisten Forschenden haben heute die Möglichkeit, ihre Artikel entweder selbst in digitaler Form zu archivieren (Grüner Weg) oder direkt in einer Open-Access-Zeitschrift zu publizieren (Goldener Weg). Die Open-Access-Auflage für die Subventionierung von Monographien steht noch nicht lange auf der Agenda europäischer Forschungsförderungsorganisationen. Die Erfahrungen in der Schweiz werden sicherlich mit Interesse verfolgt werden, und es ist nicht daran zu zweifeln, dass sich die internationalen Schwesterorganisationen ebenfalls damit auseinandersetzen müssen.

Das gedruckte Buch bleibt wichtig
Der SNF hat jüngst auf die zahlreichen Rückmeldungen aus der Fachgemeinschaft (darunter auch die SAGW, siehe Newsletter Juni 2014) reagiert und punktuelle Anpassungen an der Ausgestaltung der Publikationsförderung vorgenommen (http://www.snf.ch/de/fokusForschung/newsroom/Seiten/news-140630-neue-publikationsfoerderung-der-snf-nimmt-punktuelle-anpassungen-vor.aspx). So wird explizit bestätigt, dass das gedruckte Buch auch künftig eine wichtige Funktion in der Vermittlung von Forschungsergebnissen haben soll. Um dies zu unterstreichen, wird die Höhe der Pauschale für Dissertationen und Habilitationen auf CHF 8000 angehoben. Sollte dieser Betrag die Herstellungskosten nicht decken, kann eine zusätzliche Unterstützung beantragt werden. Dieses Prinzip gilt auch für aufwändigere Buchproduktionen, für welche der Maximalbetrag von CHF 22 000 auf begründeten Antrag hin erhöht werden kann. Damit sollen die Voraussetzungen für eine gedruckte Fassung eines Buches verbessert werden.

Eine nationale Plattform für digitale Publikationen
Ausserdem weist der SNF auf die Notwendigkeit einer nationalen Plattform für digitale Publikationen hin, die den Zugang zu den Texten sichern und erhalten soll. Die Akademie schlägt vor, dass eine solche Plattform in Zusammenarbeit mit der geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachgemeinschaft entwickelt wird. Vielversprechend ist auch die Absichtserklärung, einen Pilotversuch zur Entwicklung von dualen (digitalen und gedruckten) Publikationsmodellen nach dem Vorbild der holländischen Initiative OAPEN (http://www.oapen.nl/images/attachments/article/58/OAPEN-NL-final-report.pdf) durchzuführen.

Benachteiligung des wissenschaftlichen Nachwuchses befürchtet
Mit den genannten Anpassungen kann man zuversichtlich sein, dass mögliche negative Auswirkungen der Neuausrichtung der Publikationsförderung minimiert und dafür die zu erwartenden positiven Effekte auf die freie Zugänglichkeit zu Forschungsergebnissen stärker zur Geltung kommen werden. Auf zwei Punkte gilt es allerdings achtzugeben: Dies betrifft zum einen die Drucklegung von Qualifikationsschriften, zum anderen diejenige von Editionen.

In der bisherigen Praxis bereiten Nachwuchsforschende ihre Dissertation oder ihre Habilitation nicht selten selbst für den Druck auf, die Arbeiten für die Druckvorstufen beim Verlag beschränken sich in der Regel auf ein Minimum (eine Ausnahme stellen stark bebilderte Texte dar). Mit dem bisherigen Druckkostenzuschuss des SNF liess sich eine Publikation, wenn nicht zu 100 Prozent, so doch zu einem grösseren Teil finanzieren, unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips. Der SNF hält auch in der jüngsten Mitteilung fest, dass die reinen Druckkosten nicht übernommen werden. Es besteht demnach die Gefahr, dass Nachwuchsleute auf den Druckkosten gleichsam sitzenbleiben, wenn sie sich um die Aufnahme in eine renommierte Reihe, die nach wie vor gedruckt wird und als Aufnahmekriterium die Einwerbung von Druckkostenzuschüssen verlangt, bemühen. An sich ist nichts gegen eine breite, subsidiäre Finanzierung der Publikationen einzuwenden, aber: Die Schweiz kennt nicht diese Vielzahl von Förderorganisationen, die Publikationen unterstützen, wie dies etwa in Deutschland der Fall ist. Die Befürchtungen einzelner geisteswissenschaftlicher Fachgesellschaften, dass der Schweizer Nachwuchs in Berufungsverfahren gegenüber der internationalen Konkurrenz ins Hintertreffen gelangen könnte, weil er Mühe haben werde, gedruckte Bücher vorzulegen, ist nicht von der Hand zu weisen. Der digitale Wandel wird kommen, aber noch spielt die Aufnahme einer Dissertation oder Habilitation in eine renommierte Reihe eine nicht unerhebliche Rolle, wenn es darum geht, sich in einem Berufungsverfahren gegenüber der Konkurrenz durchsetzen zu können. Auf die Ausrichtung von Druckkostenzuschüssen, die letztlich der Senkung des Ladenpreises dienen und damit Abonnementskosten in einem vertretbaren Rahmen ermöglichen, kann gegenwärtig (noch) nicht verzichtet werden.

Wissensverbreitung – gedruckt oder digital?

Auch bei Editionsvorhaben von literarischen Texten spielt die Druckfassung immer noch eine grosse Rolle. Selbstverständlich gehört der digitale Zugang zu den Texten, nach allen Regeln der Kunst organisiert, heutzutage zu den anerkannten Erfordernissen wissenschaftlicher Editionstätigkeit. Das zu einem vertretbaren Preis angebotene Buch als Vehikel der Wissensverbreitung sowohl in der Fachgemeinschaft als auch in der interessierten weiteren Öffentlichkeit hat jedoch nicht ausgedient. Es bleibt zu hoffen, dass die Neuregelung der Publikationsförderung diese kulturelle Errungenschaft nicht gefährdet.


Empfehlungen der SAGW zu Open Access: www.sagw.ch/open-access

Kommentare

Patrick Flack hat gesagt…
Ein toller Projekt zur Entwicklung von dualen (digitalen und gedruckten) Publikationsmodellen und einer Open Access Digitale Platform, zudem ganz ohne Sperrfristen und APCs, gibt es übrigens auch schon in der Schweiz: www.sdvigpress.org
Über die Interesse oder gar die Unterstützung der SAGW würden wir uns sehr freuen!